Interdisziplinärer Workshop im Frankfurter Städel

Hans Burgkmair d. Ä. und die europäische Vorstellung von Afrika und Indien:

Baltasar Sprengers „Merfart“ (1508) im Kontext

 

Interdisziplinärer Workshop der Städel-Kooperationsprofessur am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität und des Städel Museums aus Anlass der Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“. Wiebke Schreier und Katharina Dehner vom Fugger und Welser Erlebnismuseum nahmen an der Tagung teil.

 

18. Januar bis 19. Januar 2024

 

In der Hoffnung auf große Gewinne im Gewürzgeschäft finanzierten Augsburger und Nürnberger Kaufleute 1503 drei Schiffe einer portugiesischen Flottenexpedition. Deren Ziel war es, in West- und Ostafrika sowie Indien sichere Häfen und Verbündete für den europäischen Handel zu etablieren, um indische Gewürze direkt importieren zu können. Im Auftrag des Welser’schen Handelshauses war Baltasar Sprenger mit an Bord. Sein Reisebericht, die „Me[e]rfa[h]rt“, wurde 1508 mit aufwändigen Holzschnitten nach Entwürfen Hans Burgkmairs d. Ä. in Augsburg erstmals gedruckt. Bereits ein Jahr später erfolgte in Oppenheim am Rhein bei dem auch mit Frankfurt eng verbundenem Verleger Jakob Köbel der erste von zahlreichen Nachdrucken.

 

Waren bis zu dieser Publikation die antiken Vorstellungen von bizarren, menschenähnlichen Geschöpfen, die südlich des Äquators leben sollten, vorherrschend gewesen, so vermittelten Burgkmairs Illustrationen nun erstmals den Eindruck „authentischer“ Bilder der Menschen in den besuchten Ländern. Den ästhetischen Vorstellungen der Renaissance folgend, scheinen die Bilder die literarischen Beschreibungen der Personen, ihrer Kleidung oder Gebrauchsgegenstände zu verbildlichen. Dabei gehen Burgkmairs Bilder über die Beschreibungen Sprengers hinaus und suggerieren eine Augenzeugenschaft mit sehr konkreten Kenntnissen der jeweiligen Königreiche.
Das Interesse an Sprengers Bericht und Burgkmairs Bildern muss enorm gewesen sein: Unmittelbar nach Erscheinen wurde der Druck mehrfach kopiert, übersetzt und sogar plagiiert. Bis heute entfaltet dieser Text, vor allem aber seine Bebilderung und ihre scheinbare Augenzeugenschaft, in der europäischen Imagination Afrikas und Asien seine Wirkung.

 

Umso mehr erstaunt, dass grundlegende Fragen zu dieser Publikation und ihrer Bebilderung bis heute unbeantwortet sind. Weder ist die Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der „Merfart“ geklärt, noch wurden die vermeintlichen Augenzeugenberichte mit afrikanischer und indischer Geschichtsüberlieferung abgeglichen, obwohl Burgkmairs Illustrationen und Sprengers Text anderen Überlieferungen widersprechen. Zudem lassen sich Topoi aus dem gelehrten Diskurs der Zeit nachweisen, die auf konstruierte Fremddarstellungen hinweisen könnten.

 

Um sich diesen Fragen zu nähern, wurde Sprengers „Merfart“ am 18. und 19. Januar 2024 auf einem interdisziplinären Workshop mit internationaler Beteilung im Städel Museum diskutiert und aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven untersucht und analysiert.

 

 

 

Folgende Themen wurden vorgestellt, bzw. sollen in einem Tagungsband publiziert werden:

 

 

Einführung in die Thematik

Dr. Heidrun Lange-Krach (Kunstgeschichtliches Institut, Goethe-Universität, Frankfurt am Main)
Portraits of Distant Worlds: African History and Western Historiography

 

Dr. Richard Kuba (Frobenius Institut, Frankfurt am Main)
Money Makes the World go Round: The Economic Background of the East India Voyage 1505/06

 

Dr. Maximilian Kalus (Wirtschaftshistoriker, Augsburg)
Imitation and Authenticity in the Pictures of the “Merfart”

 

Dr. Carolin Alff (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Berlin)
Mapping the Swahili Civilization in Eastern Africa, 10th-18th Century AD

 

Prof. Dr. Elgidius B. Ichumbaki (Archaeology and Heritage Studies, Universities of Dar es Salaam, Tanzania)
Balthasar Sprenger on the South Indian Pepper Coast

 

Dr. Sebastian Prange (History of South Asia, University of British Columbia)
A Spatio-temporal Examination of the Yoruba Kingdoms and the Heavens

 

Dr. Olanrewaju Lasisi (Faculty, Department of Architectural History and the Department of Anthropology, University of Virginia)
Perception and Typology of Alterity in Balthasar Sprenger’s “Merfart”

 

Dr. Yvonne Hendrich (Portugiesische Sprachpraxis, Kultur- und Literaturwissenschaft, Johannes Gutenberg Universität, Mainz)
Nudity and Exotic Bodies’ in Humanist Discourse

 

Prof. em. Wolfgang Neuber (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Freie Universität Berlin)

 

 

Der Raum Indien wird im Jahr 2025/26 um die dann publizierten Ergebnisse des Workshops ergänzt.